Rehrlstahel
Geschichte
Der Goiserer Rehrlstahel
Eine besondere Art der Armbrust nimmt der Goiserer Rehrlstahel ein. Mit dieser genannten Bezeichnung wurde im 19. sowie auch im 20. Jahrhundert ausschließlich im Goiserer Gemeindegebiet auf Scheiben geschossen. Hersteller dieser einmaligen Waffe war Johann Georg Lichtenegger. Der himmlersche Aufleg- Rehrlstahel reichte nicht über die Grenzen der damaligen Gemeinde Goisern hinaus, er war sozusagen die Goiserer Nationalwaffe.
Rehrlstahel
Meistens wurde er aus Eschen -, Eichen-, Nuß- oderLärchenholz hergestellt und hierzu ein Eibenbogen verwendet, welcher natürlich nicht viel oder besser gar kein weißes Holz haben sollte (Splint), sondern aus kernigem roten Holz (Kernholz) beschaffen sein sollte, da dieses mehr Spannkraft besitzt und ein allzu großes "Nachlassen" verhindert. Die Eibe war ein sehr begehrtes Holz für die Stahelbögen, kein anderes Holz bewährte sich auch nur annähernd. Sie kam auch in früherer Zeit viel häufiger vor als heute. Schon Schraml schreibt in seinem Werk, daß Eibenholz zur Anfertigung der Bögen für die Armbrustgewehre noch im 16. Jahrhundert sehr begehrt war und im Reformationslibell von 1524 die Schonung der Eibe anbefohlen, aber nicht eingehalten wurde, sodaß sich der Bestand stets verringerte. Manchmal, wurde der Bogen noch mit Spagat umwickelt und auch verleimt, um dem Bogen mehr Spannkraft zu verleihen. Manche Schützen, welche es ganz genau nahmen, warfen die Eibenbögen über ein oder zwei Jahre noch in die Jauche, das sollte ein Nachlassen des Bogens beim Schießen verhindern. Wenn das Nachlassen des Bogens nicht verhindert werden konnte, so konnte man dem noch mit dem Drehen der Schnur begegnen, da sie ja dadurch kürzer wurde und der Bogen sich mehr spannte. Der Bolzen hierzu war 40 bis 50 cm lang und wurde durch eine ausgebohrte Röhre (daher Rehrlstahö) mit dem Schnurschlag aus dieser Röhre hinausgeschleudert. Der Bolzen wurde von einem Drechsler angefertigt, es kam darauf an, daß es ein spezielles gut ausgetrocknetes und geradfaseriges Holz war. Bevorzugte Holzarten waren und sind heute noch Hollerstauden, Berberitzen und Pfaffenkappelholz oder aber auch abgebrochene Hacken- oder Sappelstiele, welche bei Wind und Wetter als Holzknechtwerkzeuge in Verwendung waren. Wichtig ist bei einem Rehrlstahel das sogenannte "Nachihaben", d. h. Nachzielen, der Bolzen braucht Bruchteile von Sekunden, um aus der "Röhre" zu kommen, dadurch kann der Schuß noch verrissen werden und verfehlt sein Ziel. Die Schußweite beträgt 12 - 14 Meter. Die Bolzenspitze hat ein verkehrtes Gewinde, sodaß dieser leicht aus der Holzscheibe zu drehen ist. Die Zielvorrichtung ist aus stärkerem Blech, voran der sogenannte "Gucker", ein Mittelabsehen (Kimme) und vorne das Korn. Mit dem Stilettmessergriff wurde halt dann einmal nach links, einmal nach rechts die Visiereinrichtung "geklopft", eingerichtet. Das Schloß aus gewöhnlichem Eisen, von findigen Bastlern angefertigt, hielt jahrelang, da der Bogen nicht allzu sehr spannte, so wurde die K erbe nicht abgenützt. Stecher gab es nicht. Über den Abzug war eine für 3 Finger angefertigte Halterung, und auf der Säule war seitlich für den Daumen eine Auflage. (Siehe Foto!) Die Schußpraxis war beim Aufleger so, daß nicht der Oberarm als Stütze an die Brust gedrückt wurde (wie heute üblich mit Büchsenschäften), das wäre auch nicht möglich, sondern der Stahel wurde mit der gestreckten Hand unter dem Bogen gehalten. Die Schußleistungen waren nicht gerade erhebend, es gab mehr Fehlschüsse als Treffer. Hauptsächlich war es der"Himmler" Auflegestahel, welcher diese Zeitepoche beherrschte, doch auch der sogenannte Klausstahel", ebenfalls ein Aufleger, erschien in bescheidenem Maße in den Reihen der Stahelschützen. Eines wäre noch nachzutragen, es war nämlich eine Selbstverständlichkeit, daß nach jedem abschließenden wöchentlichen Schießen der Bogen abgespannt wurde, d. h. die Schnur wurde vom Bogen entfernt mit dem Bolzen in die Bolzenrinne gesteckt. Heutzutage bleibt auch die Schnur (Sehne) am Rehrlstahel. Der Pionier und Urvater des Goiserer Rehrlstabels Johann Georg Lichtenegger, vulgo Himmler 1820-1889 auf Lasern 18.
Im Allgemeinen begann die Verdrängung des Rehrlstahels nach dem Zweiten Weltkrieg und ganz besonders in den darauffolgenden Jahrzehnten. Im Schützenverein St. Agatha war zu dieser Zeit von ca. 22 - 27 Schützen lediglich noch ein einziger Rehrlstahelschütze anzutreffen, welcher noch mit dieser Waffe schoß. Heute veranstaltet der Unterseer Schützenverein alle zwei Jahre ein Rehrlstahelschießen für alle Gesellschaften der Goiserer, um die alte Tradition noch aufrecht zu erhalten, daß dieselbe nicht gänzlich in Vergessenheit gerät. Die Rehrlstahelerzeugung war zu jener Zeit ausschließlich dem "Himmler" vorgehalten, er war einzig und allein der Dominator auf diesem Gebiet. Nach dem Ableben des "Himmler" versuchten auch andere sich mit der Stahelerzeugung zu befassen. Wie schon erwähnt, gab es einen "Klausstahel", auch von einem "Schwadenstahel" war die Rede. In der Zwischenkriegszeit der 30er Jahre erzeugten die Fachschüler Unterberger Christian (Holzing), Schilcher Wani und Ellmer Matthias ihre Waffen selbst. (Alle St. Agatha.) In jedem Schützenverein gab es findige und talentierte Männer, in Untersee Feichtinger Pep, in Au Pilz Franz (Seppenhiasl Franz),welche sich mit der Herstellung von Armbrust, Rehrlstahel sowie Balester befaßten. Diese Erzeugung blieb also nicht mehr nur einer einzigen Person vorbehalten. Allmählich verschwand der althergebrachte Rehrlstahel, Balester und Matchwaffe traten an seine Stelle.
Der Rehrlstahel 1992, der "Moderne"
Wie in unserer schnellebigen Zeit alles einer Veränderung unterliegt, so hat auch die Technik vor dem Goiserer originellen Rehrlstahel nicht Halt gemacht. Während bis vor dem Zweiten Weltkrieg der originelle Rehrlstahel unverändert in seiner ursprünglichen Machart blieb, änderte er nach dem Krieg sein Aussehen um so mehr. Es blieb am alten Rehrlstahel fast nichts mehr so, wie es seinerzeit war, die Verbesserungen haben alle wichtigen Details am Rehrlstahel erfaßt.
So entstand eine vollkommen neue Waffe, aber trotz aller Veränderungen und Verbesserungen blieb es ein Rehrlstahel. Eine der entscheidendsten Veränderungen war, daß der Aufleger dem Büchsenschaft weichen mußte, dieser ist eine 20 cm hohe und 9 cm starker klobiger Schaft mit Wangenansatz. Ein sehr guter handlicher Revolvergriff mit Daumenloch und Zeigefinger zum Abzug gibt für die rechte Hand angenehme Grifflage. Selbstverständlich ist dadurch mehr Ziel und Treffsicherheit gegeben. Die linke Hand wurde nicht mehr ausgestreckt und unter dem Bogenholz gehalten, sondern der linke Oberarm wird an die Brust gedrückt, und die Hand hält den Griff (Armstütze), welche auf der Unterseite der Säule befestigt ist. Das gibt eine ruhige und zielsichere Haltung, speziell dann, wenn der Rehrlstahel noch mit einer Hakenkappe, welche mit Höhen und Tiefenverstellung ausgestattet ist versehen ist. Eine grundlegende Änderung erfuhr auch die Ziel- und Visiereinrichtung. Vorne an der Waffe angebracht ist der Korntunnel mit davorliegender Wasserwaage. Am Korntunnel können die verschiedenen Kornarten eingesetzt werden, z. B. Perlkorn, Ringkorn, Balkenkorn, Spitzkorn u. a., je nachdem es der Schütze wünscht oder gewohnt ist. Das sogenannte Mittelabsehen Kimme fällt zur Gänze weg. Hinten befestigt ist, auf einem Schlitten mit Schrauben festzuziehen, der Diopter mit Blende oder Augenmuschel. Weiter besteht die Möglichkeit, im Korntunnel einen Sehbehelf in Form eines "Adlerauges für schon etwas an Sehkraft geschwächte Schützen zu installieren. Aber auch mit montiertem Fernglas mit Fadenkreuz auf dem Rehrl sogar bei Verbands- und Altersschießen ohne Beanstandung geschossen. Die gesamte Visiereinrichtung ist nicht mehr in der Mitte der Säule angebracht, sondern an der linken Seite. Gänzlich verdrängt wurde der Eibenbogen am Rehrlstahel. Vielfach wird heute der sogenannte "Zopfbogen" benützt, wie ihn die Bogenschützen beim Feldschießen verwenden. Dies ist ein mehrschichtig verleimter Bogen aus verschiedenen Holzarten. Er wird mit einer Spannweite von 90 - 95 cm angefertigt und auf ungefähr 14 m Schußweite abgestimmt. Vorgänger dieses Bogens war ein "Wimmerbogen", ein ebenfalls verleimter Bogen mit aufgesetzter Alufolie. Doch auch dieser "Zopfbogen" hat bereits seinen Meister gefunden. Wimmer erzeugt nun einen spezialen Glasfaserbogen, welcher bereits auch, allerdings kürzer, bei der Matchwaffe Verwendung findet, welche eigens angefertigt werden muß und bei der die Sehne nicht vom Bogen abgespannt wird. Die Gesamtlänge der Bolzenrinne beträgt 37 cm, der Spannweg (Hub, Zug) nur 18 cm. Auch bei den Bolzen versucht man neue Wege zu gehen, indem man sich der Kohlefaser und der Glasfiber zuwendet und aus diesem Material Bolzen versuchsweise herstellen will. In zwei Fällen haben sich diese Werkstoffe bereits bewährt, und es ist sicherlich nur eine Frage der Zeit, bis sich beide Materialien in den Schützenreihen durchgesetzt haben. Allerdings kommen diese beiden Werkstoffe vorderhand nur beim Rehrlstahel in Verwendung. Bei Balester und Matchwaffe werden anders geartete Bolzen benötigt. Die Bolzenhülse stanzt das erlaubte 9 mm Schußloch aus dem "Blattl", bei Match und Balester sind nur 6 mm zugelassen. Eine Neuheit sind die stählerne Bolzenrinne, welche ins Holz eingesetzt wurde, und das "Rutscherl" aus Messing, in welchem die Sehne (Schnur) ruht. Die Schloßklaue hält nicht wie üblich die Sehne, und hier haben wir wieder eine Neuerung, sondern eine K erbe am hinteren Ende des "Rutscherls" ermöglicht das Einrasten der Schloßklaue, und bei der Abzugsvorrichtung wird der Schuß mit einem Stecher ausgelöst. Vorne an der Waffe ist der Aufhängering, welcher bis zum Bogen durchführt wird und zugleich diesen mit Schraubgewinde festhält. Das Bogeneisen ergänzt die vordere Stirnplatte und verleiht der 6,5 kg schweren Waffe sportliches Aussehen. Zu bemerken wäre noch, daß zur Zeit diese Ausführung des Rehrlstahels wohl eine Ausnahme und keineswegs etwas Alltägliches ist, aber dennoch ist der Versuch gestartet worden, und es ist die Möglichkeit aufgezeigt, daß es sehr wohl auch am Rehrlstahel Verbesserungen gibt, wenn man sich darüber Gedanken macht, welche in nicht allzu ferner Zeit Realität werden können, um bessere Schußleistungen zu erzielen.
Die"Superlativel": Die Rehrlstahel-Match
Nachdem durch den technischen Fortschritt der Armbrust (Match Waffe) der Rehrlstahel fast völlig von den Stahelschießständen verschwand, wurde der Versuch unternommen, den Rehrlstahel ähnlich der Matchwaffe völlig neu zu konzipieren, um mit der Schußleistung und der Treffsicherheit mithalten zu können. Äußerlich ist die "Rehrl - Match" der "Armbrust-Match" verblüffend ähnlich.
In der Säule ist weder Rohr noch Schnurschlag eingearbeitet wie bei seinem historischen Vorläufer. Der Lauf besteht also nicht mehr aus gebohrtem Holz oder Hartpapier (Pertinax) wie früher, sondern ist aus hochwertigem Stahl mit einer Länge von nur 185 mm gefertigt. Dieser Stahllauf ist auf der Säule aufgesetzt, ähnlich der Bolzenbahn bei der Match. Der Lauf ist unmittelbar nach dem Schaft, also fast beim Gesicht des Schützen, positioniert, um die Rückstoßkräfte beim Schuß größtmöglichst zu absorbieren. Dadurch wurde es möglich, bzw. notwendig, ein völlig neues Armbrustschloß zu konstruieren. Dieses greift erstmals von unten ein (alle bisherigen von oben), aber nicht nur die Schnur, sondern auch ein Rutscherl (Schifferl) von ca. 85 mm Länge. Diese besteht aus einem Grafitfaserkern mit Hartpapiermantel, um einerseits das Gewicht so gering wie möglich zu halten und andererseits die bewährten Gleiteigenschaften Stahl Pertinax zu erhalten. Dort, wo das Schloß eingreift, ist ein Federstahlbolzen eingeklebt, wie überhaupt neue Werkstoffe und Klebetechniken diese Waffe beherrschen. Der äußerst kurz gehaltene Lauf mit einem Durchmesser von 10,8 mm ermöglicht einen sehr kurzen Bolzen (155 mm), um die Nachhaltezeit"(Nachihaben)" von bisher etwa 0,03 Sekunden auf ca. 8 Tausendstel Sekunden zu reduzieren. Der Bolzen besteht aus dem bewährten Stahlspitz und 9 mm Spitzdurchmesser aus hochwertiger Carbonfaser, praktisch verwindungsfrei mit einer Schußleistung von 0,02 mm und übertrifft an Präzision sogar den herkömmlichen Armbrustbolzen. Durch die Kürze konnte so auch mit dem neuen Material (sp. Gew. 1.46) das Gewicht relativ niedrig (63 g ) gehalten werden. Der Abzug ist mit einem "Walther" Druckpunktsystem ausgestattet und ermöglicht so einen einwandfreien Abzug. Zur zusätzlichen Dämpfung der Rückstoßkräfte wurden am vorderen Unterteil der Säule verstellbare Stabilisatoren montiert. Als Antrieb dient ein "Wimmer - Matchbogen" mit 140 kg Spannkraft, der mit einer Kunstfasersehne durch das Rutscherl gespannt wird. Der Einzugweg beträgt 125 mm. Der Spanner wird durch den dafür geschlitzten Lauf direkt am Rutscherl angesetzt. Diese Konstruktion ermöglicht dieser "Rehrl-Match" die für Rehrlstahel einzigartige hohe Schleuderkraft. Als Novität hat diese Waffe noch eine beleuchtete Wasserwaage im Kornhaus, um bei diffusen Lichtverhältnissen besser zielen zu können. Eine in allen Variationen verstellbare Hakenkappe rundet das sportliche Erscheinungsbild dieser Waffe ab. Inwieweit sich diese zweifelsohne spektakuläre Sportwaffe unter den Armbrustschützen durchsetzen wird, kann erst die Zukunft zeigen. Der Verfasser dieses technischen Berichtes, Bürgermeister Reinhard Winterauer, ist zugleich auch der Konstrukteur dieser neuartigen Rehrlstahel - Match. Winterauer befaßte sich schon längere Zeit damit, dem Goiserer Rehrlstahel wieder zu einem Comeback zu verhelfen, da er ' zur Zeit aus den Schießständen verdrängt wird, so reifte in ihm der Gedanke, eine superlative "Rehrlstahel - Match" zu schaffen. Er trug in einem 20 Minuten dauernden technischen Bericht bei der Verbands-Schützenversammlung seine Konstruktion vor versammelter Mannschaft vor. Es war ein Vortrag, bestückt mit Details und Formeln, sicherlich nicht für jeden verständlich, aber jeder zeigte daran Interesse, sodaß die Abstimmung über die Zulassung dieser Waffe bei den Verbandsmeisterschaften einstimmig über die Bühne ging. Vielleicht gelingt es, der Schweizer " Match" eine erfolgreiche Goiserer Waffe entgegenzusetzen.